Der Begriff "Determinismus" wird in vielen verschiedenen Zusammenhängen verwendet. Man spricht unter anderem von logischem Determinismus, von theologischem Determinismus und von kausalem (oder physikalischem) Determinismus. [Anmerkung: Der Begriff "Indeterminismus" bezeichnet einfach die Negation des Determinismus. Der Indeterminismus ist also genau wahr, wenn der Determinismus falsch ist.]
Der logische Determinismus beruht auf folgender Überlegung. Es ist eine unter Logikern allgemein verbreitete Annahme, dass jede Aussage wahr oder falsch ist. Aussagen werden nicht wahr oder falsch und sie hören auch nicht auf, wahr oder falsch zu sein. Sie sind (zeitlos) wahr oder falsch. Daher ist z.B. auch die Aussage "Anna Schmidt wird am 20. Juni 2045 heiraten" (schon heute) wahr oder falsch. Wenn das so ist, steht aber heute schon fest, ob Anna Schmidt am 20. Juni 2045 heiratet oder nicht. Und wenn das heute schon feststeht, kann nichts anderes passieren. Insofern ist heute schon determiniert, ob Anna Schmidt am 20. Juni 2045 heiratet oder nicht.
Eine verwandte Überlegung führt zum theologischen Determinismus. Hier spielt die Allwissenheit Gottes die entscheidende Rolle. Wenn Gott heute schon weiß, was im Jahre 2045 passiert, dann muss heute schon feststehen – und ist insofern auch heute schon determiniert –, ob Anna Schmidt am 20. Juni 2045 heiraten wird.
In der Debatte um die Vereinbarkeit von Freiheit und Determinismus geht es aber primär um den kausalen Determinismus.
Was bedeutet es, dass eine Welt (im kausalen Sinn) deterministisch ist? Es bedeutet, dass in dieser Welt zu jedem Zeitpunkt Bedingungen existieren, die in gewissem Sinne festlegen, was in der Zukunft passieren wird. Zu jedem Zeitpunkt gilt, dass sich die Welt nur so entwickeln kann, wie sie sich tatsächlich entwickelt; es gibt keinen Zeitpunkt, an dem mehrere Möglichkeiten des Weltverlaufs offen stehen. Wie lässt sich diese intuitive Idee weiter präziseren?
Eine erste Möglichkeit besteht darin, vom Begriff der Vorhersagbarkeit auszugehen. Danach ist der Determinismus genau dann wahr, wenn gilt:
(D1) | Für jeden Zeitpunkt gilt: Wenn ein 'Laplacescher Dämon' (ein Wesen mit übermenschlicher Intelligenz) die Naturgesetze und den Zustand der Welt zu diesem Zeitpunkt bis ins kleinste Detail kennen würde, dann könnte er jedes Ereignis in der Zukunft vorhersagen. |
Problematisch an dieser Definition ist, dass es aus mindestens zwei Gründen unmöglich sein kann, selbst determinierte Prozesse vorauszusagen. Der eine Grund hat mit dem zu tun, was man "deterministisches Chaos" nennt. Dabei handelt es sich um Prozesse, die zwar vollständig determiniert ablaufen, bei denen aber schon minimalste Änderungen in den Anfangsbedingungen erhebliche Abweichungen in den Zuständen bewirken können, zu denen diese Prozesse führen. Häufig ist es uns Menschen jedenfalls nicht möglich festzustellen, welche Anfangsbedingungen genau vorliegen. Und deshalb können wir auch nicht voraussagen, zu welchen Ergebnissen diese Prozesse führen werden, obwohl sie vollständig deterministisch ablaufen. (Möglicherweise hat ein 'Laplacescher Dämon' dieses Problem aber nicht.)
Der zweite Grund beruht darauf, dass Voraussagen Rückwirkungen auf den Verlauf der Prozesse haben können, deren Ergebnisse wir vorhersagen möchten. Alvin Goldman hat folgendes schöne Beispiel ersonnen: Es soll vorhergesagt werden, welchen Ton ein automatisches Klavier als nächsten von sich geben wird. Die Voraussage erfolgt so, dass man den Ton, von dem man glaubt, dass er als nächster gespielt werden wird, (auf einem anderen Klavier) anschlägt. Nun ist das automatische Klavier aber so konstruiert, dass es, wenn in seiner Nähe ein bestimmter Ton gespielt wird, nicht diesen, sondern einen anderen Ton erklingen lässt. Offenbar ist es unmöglich, auf die genannte Weise vorherzusagen, welchen Ton das automatische Klavier als nächsten von sich gibt, eben weil die Voraussage dazu führt, dass es einen anderen Ton erklingen lässt – und das gilt natürlich auch dann, wenn das Verhalten des automatischen Klaviers vollständig determiniert ist. (A. Goldman, A Theory of Human Action, Englewood Cliffs NJ 1970, S. 190f.)
Am verbreitetsten ist es, den Determinismus mit Hilfe des Begriffs der hinreichenden Ursache zu definieren. Eine Welt wäre demnach genau dann deterministisch, wenn jedes Ereignis in dieser Welt eine hinreichende Ursache hat – d.h., wenn gilt:
(D2) | Für jedes Ereignis E gibt es eine Menge von zeitlich früheren Ereignissen, die zusammen eine hinreichende Ursache für E bilden. |
In dieser Lesart ist der Determinismus gleichbedeutend mit dem Kausalprinzip, das besagt, dass alles eine hinreichende Ursache haben muss.
Aber was heißt es, dass U eine hinreichende Ursache für E ist? Die häufigste Antwort auf diese Frage lautet: U ist eine hinreichende Ursache für E, wenn U E zwangsläufig zur Folge hat oder wenn E stattfinden muss, wenn U der Fall ist. Der Begriff der Ursache wird also durch den modalen Begriff des Müssens oder der Notwendigkeit erläutert. Und deshalb liegt es nahe, auch den Determinismusbegriff so zu fassen. Dabei muss man jedoch berücksichtigen, dass es hier nur um nomologische Notwendigkeit geht – die Notwendigkeit, die sich aus den geltenden Naturgesetzen ergibt. Dann kann man sagen, dass der Determinismus wahr ist, wenn es zu jedem Zeitpunkt naturgesetzlich unmöglich ist, dass sich die Welt anderes entwickelt, als sie es tatsächlich tut. Wenn man diese Idee mit Hilfe des Begriffs der möglichen Welten präzisiert, erhält man folgende Definition. Der Determinismus ist (in unserer Welt) wahr, wenn gilt:
(D3) | Jede mögliche Welt, die mit unserer Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt völlig übereinstimmt und in der dieselben Naturgesetze gelten wie in unserer Welt, stimmt auch zu allen späteren Zeitpunkten mit unserer Welt völlig überein. |
Dieser Definition lässt sich für alle, die Schwierigkeit mit dem Begriff der Notwendigkeit oder dem Begriff der möglichen Welten haben, auch eine Form geben, bei der es nur um Folgerungsbeziehungen zwischen Sätzen geht. Der Determinismus ist wahr, wenn gilt:
(D4) | Wenn Z eine vollständige Beschreibung des Zustands unserer Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt t und N eine vollständige Beschreibung aller in dieser Welt geltenden Naturgesetze ist, dann implizieren Z und N zusammen logisch eine vollständige Beschreibung der gesamten Geschichte unserer Welt nach t. |
Allerdings ist hier die Frage, ob die Rede von einer "vollständigen Beschreibung des Zustands unserer Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt" wirklich sinnvoll ist. Zum einen müssen – der Relativitätstheorie zufolge – Ausdrücke wie "der Zustand der Welt zum Zeitpunkt t" immer auf einen Bezugsrahmen relativiert werden. Zum anderen ist es – salopp gesprochen – durchaus möglich, dass es in der Welt mehr Tatsachen gibt, als durch die Sätze einer Sprache ausgedrückt werden können.
Die meisten Philosophen vor Kant waren der Meinung, dass die Wahrheit des Kausalprinzips bzw. des Prinzips vom zureichenden Grund a priori (d.h., durch reines Denken ohne Rückgriff auf Erfahrung) erkannt werden könne. Viele waren sogar der Meinung, die Wahrheit dieses Prinzips sei intuitiv evident und könne gar nicht bezweifelt werden. David Hume hat diese Auffassung vehement kritisiert. Er argumentiert, dass die Annahme der Falschheit des Kausalprinzips keinen Widerspruch beinhalte. Also könne dieses Prinzip nicht a priori wahr sein. Kant selbst glaubt allerdings zeigen zu können, dass das Kausalprinzip zumindest in der Welt der Erscheinungen gelten müsse. Denn wenn nicht jedes Ereignis eine Ursache habe, sei eine einheitliche objektive Erfahrung unmöglich. Die meisten Theoretiker sind sich heute jedoch darüber einig, dass die Frage nach der Wahrheit des Kausalprinzips bzw. des kausalen Determinismus eine empirische Frage ist. Das bedeutet, dass wir uns an die Naturwissenschaften (insbesondere die Physik) wenden müssen, wenn wir wissen wollen, ob der Determinismus wahr ist.
Doch die gegenwärtige Physik kann hier keine klare Auskunft geben. Die Allgemeine Relativitätstheorie wird zwar oft als "eindeutig deterministisch" eingestuft, doch das ist irreführend. Die "Singularitäten", die diese Theorie postuliert (z.B. die ominösen "Schwarzen Löcher"), werden allgemein als große Gefahr für den Determinismus angesehen. Allerdings handelt es sich hier um sehr kontroverse Aspekte der Allgemeinen Relativitätstheorie. Deshalb kann daraus noch kein endgültiges Urteil über den Determinismus abgeleitet werden. Umgekehrt verhält es sich mit der Quantenmechanik. Diese Theorie wird meist als "klar indeterministisch" angesehen, obwohl es auch deterministische Interpretationen gibt (z.B. die Interpretation von David Bohm), die sich heute wieder großer Beliebtheit erfreuen. Außerdem spielt sich selbst bei indeterministischen Interpretationen der Quantenmechanik der Indeterminismus primär auf der Ebene mikrophysikalischer Beschreibungen einzelner Teilchen ab. Bei größeren Systemen glätten stochastische Effekte den Quantenzufall aus, so dass das Verhalten der Dinge in der makrophysikalischen Welt im Wesentlichen deterministisch ist. Zufällige Abweichungen von diesem deterministischen Verhalten sind zwar der Theorie nach möglich, aber derart unwahrscheinlich, dass es zumindest keine triviale Frage ist, ob Quantenzufall überhaupt eine Relevanz für unser philosophisches Interesse am Determinismus hat.
Letztlich lässt sich deshalb nur sagen: Die Frage, ob der Determinismus wahr ist, ist völlig offen.